Die Nutztierarchen

Vielfalt statt Einfalt

Vorwerk-Hühner
Vorwerk-Hühner

Eisbären, Tiger, Gorillas, Flussdelfine,… und viele mehr sind uns heute durch Fernsehen, Internet, Bücher bekannt und fast täglich hören oder lesen wir in den Medien vom drohenden Aussterben bedrohter Wildtierarten. Aber was ist mit unseren Nutztieren - z.B. Hühner, Schweine, Schafe, Rinder u.a., von deren Produkten und Fleisch wir uns ernähren?

Einfalt statt Vielfalt

Weltweit sind ca. 6300 Nutztierrassen bekannt – über 1300 von ihnen sind bereits ausgestorben oder extrem gefährdet. Heute setzen sich 90% aller Nutztiere aus nur 15 Rassen zusammen: 4 Schweinerassen liefern 99% aller Schweine, nur 4 Konzerne versorgen die ganze Welt mit „Zuchtmaterial“ für Legehennen oder Masthühner und 97% aller deutschen Rinder gehören zu nur 4 Rassen. Von Vielfalt weit und breit keine Spur. Das ganze Jahr hindurch stehen uns heute Eier, Fleisch, Milchprodukte zur Verfügung – wie das möglich ist und dass dies nicht selbstverständlich ist, ist vielen Menschen nicht mehr bewußt.

Die heutige permanente Verfügbarkeit der tierischen Produkte wurde möglich durch die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg, und durch die als grüne Revolution bekannt gewordene Entwicklung von Hochleistungssorten –und –rassen, die die Hoffnung auf weltweite Ernährungssicherheit schürten. Der Preis den wir dafür zahlen mussten, heißt Massentierhaltung, Hybridzüchtung und gentechnische Veränderung. Heute werden in der industriellen Tierhaltung weltweit nur noch wenige Rassen auf extrem hohe Leistungsfähigkeit gezüchtet, die häufig schon vorbeugend mit Antibiotika behandelt werden, weil sie durch die Hochleistungszucht extrem anfällig für Krankheiten und Seuchen geworden sind. Oftmals wären diese Tiere unter artgerechten Haltungsbedingungen gar nicht lebensfähig.

Zum Vergleich ...

Legeleistung Hühner / Jahr

Alte Rasse Vorwerkhuhn: ca. 150 Eier

Hochleistungslegehuhn: ca. 300 Eier

Milchleistung Kühe / Laktationsperiode (ca. 300 Tage)

Alte Rasse Murnau-Werdenfelser Rind: ca. 4300l

Hochleistungsrasse Holstein-Frisian: bis 10000l


Vorteile der Vielfalt

Buntes Bentheimer x Angler Sattelschwein
Buntes Bentheimer x Angler Sattelschwein

Die bis zum 2. Weltkrieg vielfältig vorhandenen regionalen Haustierrassen hatten sich durch jahrhundertelange Selektion und Züchtung hervorragend an ihren jeweiligen Lebensraum und die klimatischen Bedingungen vor Ort angepasst und waren daher robust, gesund und leistungsfähig. Viele Namen der heutigen alten Haustierrassen zeugen von der Herkunft bzw. Verbreitung bestimmter Arten: z.B. das bunte Bentheimer Schwein, die Ostpreussische Skudde (Schaf) oder die Ostfriesiesche Möwe (Huhn).

Damit die Vielfalt nicht verloren geht ...

Inzwischen ist hinreichend bekannt, dass diese alten Rassen ein wertvolles genetisches Potential darstellen, um auf mögliche Krisen und Katastrophen reagieren zu können. Sie zeichnen sich aus durch Robustheit, Langlebigkeit, Genügsamkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten.

Deshalb setzen sich in Deutschland z.B. Gruppierungen wie die GEH (Gesellschaft zur Erhaltung alter Haustierrassen) oder VIEH (Vielfältige Initiative zur Erhaltung gefährdeter Haustierrassen) für die Erhaltung möglichst vieler Nutztierrassen ein. Dafür gibt es deutschlandweit sogenannte Nutztierarchen, in denen engagierte Menschen bedrohte Tierarten halten, züchten und zu ihrer erneuten Verbreitung beitragen wollen

Petra Röllicke war mit den Skudden und ihren Hühnern in der Nutztierarche Berchinrode Mitglied bei VIEH.