Gedanken zu Permakultur

von Petra Römisch

 

Als ich vor fast 20 Jahren das Buch „Der Agrarrebell, Sepp Holzers’ Permakultur“ in die Hände bekam, fand ich in mir keine Resonanz. Ok, Hügel- und Kraterbeete oder Kräuterspirale klangen ganz schön, aber dass ich selbst so etwas machen könnte, schien mir damals unvorstellbar. Abgehakt.

 

 

Erst als ich im Zusammenhang mit der Planung einer 3-monatigen Reise 2016 im Internet auf den Kommentar „a PDC (Permaculture Design Course) is something everybody should do in his life…“ stieß, (Anm: " einen Permakultur Design Kurs ist etwas, das jede/r in seinem Leben machen sollte")  kam das Thema Permakultur  wieder in mein Leben.

 

Ich begann zu recherchieren und war fasziniert. Inzwischen hatte ich schon 15 Jahre weitgehende Selbstversorgung betrieben und war seit mehr als 10 Jahren Referentin im Bereich Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Jetzt fand ich im Konzept Permakultur meine eigene Lebensweise gespiegelt.

 

Was also verbirgt sich hinter diesem Begriff PERMAKULTUR?

 

Permakultur als Modell für zukunftsfähige Landwirtschaft

In den 70er Jahren wurden u.a als Reaktion auf die Ölkrise und den durch industrielle Landwirtschaft hervorgerufenen großflächigen Verlust von Wäldern und Böden die ersten Umweltbewegungen ins Leben gerufen.

In dieser Zeit entwickelten die Australier Bill Mollison und David Holmgren ein Konzept zur Gestaltung von dauerhaft produktiven landwirtschaftlichen Systemen, die die Stabilität, Vielfalt und Widerstandsfähigkeit natürlicher Ökosysteme besitzen. Sie nannten es PERMACULTURE (Permakultur), ein Begriff, dessen urspüngliche Bedeutung dem Englischen „Permanent Agriculture“ entlehnt ist.

 

Die Basis dieses Konzeptes bilden 3 ethische Grundsätze sowie eine Reihe von Gestaltungsprinzipien, die sie aus der fortlaufenden Beobachtung natürlicher Ökosysteme und der Interaktionen all ihrer Teile untereinander ableiteten.

 

Permakultur als Bildungsansatz für systemisches Denken und die Gestaltung nachhaltiger Systeme

Mittlerweile wird Permakultur in vielen Bereichen angewandt: Konzepte zu Selbstversorgung, Hausbau, alternativer Ökonomie, Gemeinschaftsbildung oder Regional- und Freiraumplanung können mit Hilfe der permakulturellen Gestaltungsansätze als nachhaltig stabile Systeme geplant, umgesetzt und erhalten werden.

 

Die drei ethischen Grundsätze:

Care for the Earth – achtsamer Umgang mit der Erde, allen Lebewesen und natürlichen Ressourcen

Care for the People – achtsame Gleichbehandlung aller Menschen jetzt und in Zukunft

Fair Share – Gerechte Überschussverteilung und Selbstbeschränkung

decken sich mit den in den Sustainable Development Goals formulierten Ansätzen für eine nachhaltige Entwicklung, Ökologie, Ökonomie und Soziales in gleichberechtigen Einklang zu bringen (UN, 2015)

 

Für viele Menschen ist nachhaltige Entwicklung mit einer Aufforderung zu (unliebsamen) Einschränkungen verbunden. Dabei fordert Permakultur keine Einschränkungen per se. Ganz im Gegenteil ist ein Aspekt permakultureller Gestaltung das Erzielen einer „reichen Ernte“.

Also verkappter Kapitalismus unter dem Deckmantel ökologischen Handelns?   --- Natürlich nicht; der Unterschied liegt im Denkansatz:

Das prägende Denksystem des Westens seit der Industrialisierung basiert auf einfachen Ursache-Wirkung bzw. Wenn-Dann Annahmen. Dies ermöglicht schnelle Lösungen für viele Herausforderungen (z.B. Atomkraft, Transportwesen, grüne Revolution), lässt aber die Wechselwirkungen innerhalb komplexer Systeme völlig außer acht. Langfristig kann das zu neuen Problemen und viel höheren Kosten führen; bekannte Konsequenzen sind u.a. die Atommüllproblematik, ausgelaugte Böden etc.

Genau hier setzt Permakultur-Gestaltung an: Die zugrunde liegende Ethik und die Prinzipiensets bieten einen Werkzeugkasten für die Planung langfristiger, auf größere Zeiträume und für mehrere Generationen ausgelegte Systeme mit einem Maximum an Stabilität und Vielfalt.

Einige dieser Gestaltungsprinzipien sind z.B. Abfall als Ressource nutzen, Multifunktionalität, Vernetzung, Kooperation, nachhaltige Optimierung statt kurzfristige Maximierung.

Permakultur nutzt dazu vielfältige Wissensquellen: Alte Techniken, technische Neuerungen, indigenes Wissen sowie wissenschaftliche Erkenntnisse werden sinnvoll miteinander verknüpft.

Das Besondere an diesem “Werkzeugkasten” sind dabei die praktischen Ansätze, wie jeder Einzelne ganz konkret sein persönliches Umfeld, seine Beziehungen, Haushalte, Gärten und geschäftliche Dinge verändern kann.

 

PK als Lebenshaltung

Genau genommen ist Permakultur, also permanente, dauerhafte Kultur, die allen Lebewesen ein gutes Leben ermöglicht und sich wie ein Ökosystem selbst stabilisiert und erhält, in vieler Hinsicht eine Frage des gesunden Menschenverstandes.

 

Systemisches Denken ist nichts Neues. Alle Naturvölker haben ein völlig selbstverständliches ganzheitliches Verständnis von Vorgängen und sehen ihre Handlungen immer im Zusammenhang mit allem, was sie umgibt. Auch im familiären Umfeld gelingt uns systemisches Denken relativ leicht. Fast selbstverständlich sind wir bereit, unser Leben an die Bedürfnisse z.B. unseres Kleinkindes anzupassen. Wir denken an Kindersicherungen, Ess- und Schlafenszeiten, berücksichtigen Urlaubswünsche und versuchen so, unseren Bedürfnissen und denen unseres Kindes gerecht zu werden.

Wenn wir wieder anfangen, alle unsere Lebensbereiche (z.B. Ernährung, Energie, Mobilität, um nur die einflussreichsten zu nennen) auf ihre Auswirkungen auf andere Menschen, auf die Natur, auf das dauerhafte Potenzial unseres Umfeldes zu hinterfragen, dann agieren wir systemisch und werden automatisch Veränderungen herbeiführen. Dann verändern wir unser Weltbild dahin, dass wir Menschen wieder ein Teil der Natur sind, nicht ihr Vorgesetzter. Dann praktizieren wir Permakultur.

Das Tolle ist, Permakultur-Gestaltung spürt dabei auch noch die „Eier legende Wollmilchsau“ auf: Hühner im Hausgarten z.B. sind längst nicht nur zum Eierlegen gut. Ihr Mist stellt einen wertvollen Beitrag zum Kompost und damit zu einem gesunden Boden dar; ihre Begeisterung fürs Scharren beseitigt im Winter auf unseren Beeten sehr effizient unerwünschte Kräuter und dabei fressen sie sogar die Schneckeneier, so dass die erste Population Schnecken im Frühjahr, wenn unsere Pflanzen noch schutzbedürftig sind, einfach ausfällt. Und unsere Gemüseabfälle mögen sie sowieso. DAS sind lebendige Systeme mit überreichlichem Ertrag, die selbst des Einen oder Anderen Drang nach Optimierung und deutscher Effizienz bestens befriedigen sollten….